Abschied mit viel Musik und stehenden Ovationen

27. Oktober 2025
Verabschiedung von Superintendentin Sabine Preuschoff (erste Reihe links) in der Burgdorfer St.-Pankratius-Kirche. Foto: Stefan Heinze/Kirchenkreis Burgdorf

Superintendentin Sabine Preuschoff vom Amt entpflichtet

Mit einem Gottesdienst mit viel Musik und stehenden Ovationen wurde am Sonntag Superintendentin Sabine Preuschoff aus dem Kirchenkreis Burgdorf in ihr neues Amt als Regionalbischöfin des Sprengels Stade verabschiedet. Regionalbischöfin Marianne Gorka entpflichtete die Superintendentin von ihrem Amt. Zuvor hatte Sabine Preuschoff noch einmal in der Burgdorfer St.-Pankratius-Kirche gepredigt.

Predigt und Ansprache zum Nachlesen

Regionalbischöfin Marianne Gorka spricht zur Verabschiedung von Superintendentin Sabine Preuschoff. Foto: Stefan Heinze/Kirchenkreis Burgdorf

„Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den er bestimmt hat.
(2. Mose 23,20)

ANSPRACHE ZUR ENTPFLICHTUNG VON SABINE PREUSCHOFF AUS DEM AMT DER SUPERINTENDENTIN DES KIRCHENKREISES BURGDORF

Regionalbischöfin Marianne Gorka

Wer mich kennt weiß, ich habe ein Faible für kuriose Gedenktage. Morgen kommt ein schöner davon auf uns zu: Der „National Tell a Story Day“ in Großbritannien. Der Nationale Erzähl-eine-Geschichte-Tag). 
Dieser Tag steht ganz im Zeichen des gesprochenen Wortes – na, und da horcht die Theologin doch gleich auf.
Geschichten erzählen – das ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung und Überlieferung der Kultur einer Gesellschaft wie auch zur Wahrung und Überlieferung der Theologie unseres Glaubens, unserer Kirche.

Große und kleine Geschichten begleiten heute deinen Abschied aus dem Amt der Superintendentin. 

Und wir erinnern: Da ist zunächst einmal deine Geschichte, die du vor gut 9 ½ Jahren hier mit eingebracht hast, als du 2016 das Amt der Superintendentin übernommen hast: Sie begann in Bremen, wo du geboren bist, ging bald in Leer weiter bis zum Abitur und setzt sich dann mit dem Theologiestudium in Bethel, Berlin und Göttingen fort. Da kreuzen sich auch unser beider Erzählstränge ab und an, bis es nur knapp zeitversetzt sogar ähnliche Kapitel gibt mit dem Vikariat – für dich in Celle, für mich im hiesigen Kirchenkreis in Ehlershausen, Ramlingen, Otze  –  für uns beide nacheinander im Predigerseminar Celle. 

Du wurdest in Großmoor ordiniert und bliebst dort bis zum Wechsel in den Kirchenkreis Laatzen-Springe 2006. Dort warst du u.a. Kreisjugendpastorin, Diakoniebeauftragte, Vikariatsleiterin, später auch stellvertretende Superintendentin. 

Mit den Aufgaben reicherten sich Erfahrungen an, Zutrauen kam von anderen Seiten noch mit hinzu, die allesamt mehr und mehr die Idee nährten, sich selbst auf eine Sup-Stelle zu bewerben. Etliche dieser Erfahrungen haben deine Geschichte hier in Burgdorf für dich persönlich entscheidend mitgeprägt. Du erinnerst dich gern und dankbar daran, was du aus dieser Zeit schon alles mitbekommen hast.

Du warst die, die man sich damals wünschte, sagst du mit Respekt vor den Vorgänger:innen. Noch heute wirst du genau durch die Attribute lobend beschrieben, die schon damals eine Rolle gespielt haben dürften: Engagiert, zupackend seelsorglich, eine gute Zuhörerin; offen, auf andere zuzugehen und selbst nahbar, auch als Person und Persönlichkeit erkennbar. Eine große Gabe, andere in den Mittelpunkt zu stellen, ihnen zugewandt zu begegnen bei den diversen Gelegenheiten binnen- wie außerkirchlich. Du hast wenig „Berührungsängste“. 

So habt ihr seit 2016 also gemeinsam die Geschichte des Kirchenkreises fortgeschrieben, für und mit den Menschen, für die ihr euch als zuständig empfindet – und das sind nicht nur die, die ihr als Kirchenmitglieder zählen könnt; es sind alle, die hier leben in Dorf und Stadt von Ramlingen bis Rethmar, von Höver bis Hänigsen, an den Rändern genauso wie mittendrin. Mit der Ordensfrau Gudrun Steiß gesagt: All die, für die du morgens aufstehst, „nicht um die Kirche zu retten, … [sondern], weil Gott mich ruft, und ich schaue, ob ich das irgendwie hinkriege, wenn es geht mit anderen, die auch dazugehören.“ ((Link zum Zitat) Schön gesagt und eine gute, klare Haltung!

Viel ist passiert in dieser Zeit: Kirchengemeinden haben sich zusammengeschlossen, Personalwechsel – nicht, weil man aus Burgdorf flieht, im Gegenteil: Burgdorf scheint ja eher so eine Art Sprungbrett zu sein oder zumindest ein gutes Vorbereitungslager für weitere Ebenen der kirchlichen Landschaft. Hier wird man auf jeden Fall gut ausgestattet, um auch in neuen Herausforderungen zu bestehen. Es gab und gibt reichlich Veränderungen in der kirchlichen Arbeit.

Dafür hast du hier gewirkt, nach eigener Aussage „hoffnungsstur und glaubensheiter“ 
-für die Nachbarschaften, die Mitarbeitenden, die Institutionen; 
-für die Diakonie, ein Markenkern, dir Ehrensache und Verpflichtung kirchlicher Arbeit; 
-für die Jugend, deren Förderung in jeder Hinsicht dir sehr am Herzen liegt, weswegen es auch besonders schmerzt, wenn gerade in diesem Bereich womöglich etwas offen bleibt, unversöhnt; 
-für „Projekte der Verbindung“ mit Tanzkomitee, Luther-Bäumen, Kunstaktionen, „angeklopft + nachgefragt“; 
-für PopUp-Church & Segen to go 
(!) all das, um von Gott zu erzählen, der will, dass wir gut und sicher leben. 
9 ½ Jahre „Erzähl-eine-Geschichte-Zeit“ – getragen und geleitet durch die eine großartige Geschichte Gottes mit den Menschen.

Ein Wort, ein Versprechen, aus dieser verheißungsvollen Geschichte soll diesen Abschied leiten, das hast du dir selbst so gewünscht: 

„Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.“

Es ist die Zusage Gottes an Mose. Ein Schlusswort nach etlichen Ansagen am Berg Sinai, nach Geboten und Lebensregeln, um endlich frei zu sein im gelobten Land. Alle Regeln dienen dem Schutz der Schwachen, für das Leben, für eine starke Gemeinschaft, für Frieden. Dabei hat Mose auf dem Weg so seine Erfahrungen als Führungskraft gemacht: Die Luft wird dünner, je mehr Verantwortung eine:r übernimmt. Murren und Klagen aus dem Volk, die waren schnell zur Stelle. Aber wer hilft ihm?

Gott weist auf die Gemeinschaft! Allen gelten die Regeln, alle tragen Verantwortung, wenn sie an ihr Ziel kommen wollen. Allen gilt auch die Verheißung, Gottes Wort:  Ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte und dich bringe and en Ort, den ich bestimmt habe.

Das ist kein Wort nur für den Kopf des Ganzen! Das geht raus an alle: Vertraut den neuen Wegen! Auch wenn Einzelne Führungsverantwortung tragen. Auch wenn Kirchenkreis und Superintendentin jetzt wieder getrennt die Geschichte(n) fortsetzen.

Der Erzähl-Grund bleibt Gott selbst. Das ist der Ursprung der Geschichte. Das ist der Anker in der Zeit. Dafür sendet Gott Engel vor uns her, die uns behüten und uns an die bestimmten Orte bringen. Ja, und dann muss eine manchmal auch der (inneren) Stimme folgen, auch wenn diese sie aus dem „objektiv schönsten Kirchenkreis“ in den, wie manche doch sehr subjektiv empfinden, schönsten Sprengel der Landeskirche führt… Nun, die einen sagen so, die anderen sagen so …😉

. Neue Kapitel werden aufgeschlagen und fortgeschrieben. Sei es in Stade oder hier in Burgdorf und umzu. Sie werden erkennen lassen, wie Gott am Werk ist, seine Führung, seine Bewahrung, seine Engel um uns rum, die eben immer nur Boten sind, nicht die Botschaft selbst! Sie sind dienstbare Geister, ausgesandt um dessen willen, von dem die Geschichte handelt, der sie mit uns begonnen hat und um der Menschen willen, für die wir morgens aufstehen, auf dass wir alle zusammen Vertrauen fassen in das Leben, für den guten Geist in unseren Gemeinschaften.

Gott bringe uns alle dorthin, wo wir ankommen sollen.  So auch dich, liebe Sabine, im Abschied, im Übergang und Neubeginn! Genau wie Sie alle hier, liebe Menschen im Kirchenkreis Burgdorf!

Schon heute danke ich den beiden Stellvertretenden im Aufsichtsamt, Pastorin Friederike Grote und Pastor Dr. Tibor Anca, sehr herzlich dafür, dass sie sich der Vakanz wacker annehmen, bis hoffentlich bald doch wohl das Sup-Amt wieder besetzt sein wird.

Ich danke allen in den Gremien, im KKV, der Kreissynode, im Wahlausschuss, Frau Martens im Suptur-Büro, Ihnen den Pfarrpersonen und Diakon:innen, Kirchenmusiker:innen und allen, die hier mitarbeiten für Jung und Alt. 
Auch wenn die Superintendentin andere Wege weitergeht: Es bleibe jeder Tag ein „Erzähl-eine-Geschichte-von-Gott-Tag“,  voller kreativer Ideen, voller Bemühen um Frieden, mutig, stark, beherzt, mit Tatkraft und Entdeckerfreude auf die Zunft, sein Land, das vor uns liegt.  

Wer dich nun gut kennt, liebe Sabine, weiß, dass du ein Faible für Chor-Singen hast und sicher ein umfassendes Repertoire im Sinn, allein durch deine lange Zeit im Bachchor Hannover.

Wo andere sich mit einem Kärtchen bescheiden (müssen), schrieb Johann Sebastian Bach zu feierlichen Anlässen ja schon mal eine kleine Kantate. Zum heutigen 19. Sonntag nach Trinitatis nun ausgerechnet die so genannte „Kreuzstab-Kantate“, „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“. Und den macht Bach hörbar in Sekundschritten und fallenden Seufzerfiguren. Das soll aber nicht das Sinnbild deines Wechsels sein. 

Für dich ist dieser Schritt ein deutlich größerer und wie schon durch das biblische Leitwort so auch hier durch die Kantate von Hoffnung und Zuversicht getragen: „Mein Wandel auf der Welt ist einer Schifffahrt gleich“, singt da der Christus. Und so ist es wohl: Das Leben eine Schifffahrt, von Wellen auf und nieder in Bewegung gehalten, erfüllt von der Freude und Stärke einer Gemeinschaft, die bleibt. „Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab, / Da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab.“ 

So sei es auch mit möglichen Tränen im Abschiedsschmerz, denn: „Siehe, Gott sendet einen Engel vor dir her, der dich behütet auf dem Wege und dich bringt an den Ort, den Gott bestimmt hat.“

Bis wir dich dort dann im neuen Amte auch bald schon wieder begrüßen können.

Superintendentin Sabine Preuschoff predigt im Gottesdienst anlässlich ihrer Verabschiedung. Foto: Stefan Heinze/Kirchenkreis Burgdorf

Vor der Entpflichtung durch Regionalbischöfin Marianne Gorka hat Sabine Preuschoff noch einmal als Superintendentin des Kirchenkreises Burgdorf gepredigt. Hier ihre Predigt im Wortlaut zum Nachlesen (Link zum Download als pdf-Datei am Schluss):

Es war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusa-lem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. 
Es war aber dort ein Mensch, der war seit achtunddreißig Jahren krank. Als Jesus ihn liegen sah und vernahm, dass er schon so lange krank war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 
Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 
Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.
Es war aber Sabbat an diesem Tag. Da sprachen die Juden zu dem, der geheilt worden war: Heute ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt, dein Bett zu tragen. Er aber antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett und geh hin! Sie fragten ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett und geh hin? Der aber geheilt worden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war fortgegangen, da so viel Volk an dem Ort war. 
Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. Der Mensch ging hin und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe. (Joh 5, 1-15)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
„Willst du gesund werden?“ – so schlicht und zugleich so provokant fragt Jesus den Mann, der seit achtund-dreißig Jahren am Teich von Betesda liegt. Achtund-dreißig Jahre. 
Solange hat er auf das Wasser-Wunder gewartet: Im entscheidenden Moment, wenn sich das Wasser bewegt, wie von Engelshand, muss man schnell genug sein und hineinsteigen. 
Einige sind dann gesund worden. Es lohnt sich also zu warten und zu schauen und zu kämpfen. Du musst durchhalten. Für dich sorgen und schneller als die ande-ren sein. 
Gelähmt, abhängig, ausgeschlossen. Er hat keine Chan-ce, als Erster ins Wasser zu kommen, wenn es sich be-wegt. Und so bleibt er liegen. Vergessen, übersehen, hoffnungslos.
Betesda heißt „Haus der Barmherzigkeit“. Aber barm-herzig ist es dort ganz und gar nicht. 
Vielmehr gilt dort ein gnadenloses Konkurrenzsystem: Wer schneller ist, wer stärker ist, wer Ellenbogen hat, kommt ans Wasser. Und die anderen bleiben liegen.
So geschieht es wohl oft in unserer Leistungsgesell-schaft: „Du musst funktionieren. Du musst leisten. Wer nicht mithalten kann, fällt eben zurück.“ 
Wie krank ist das! Da braucht es mehr als ein Wasser-Wunder. Nicht allein der, der auf der Strecke bleibt, sondern das ganze System muss geheilt werden. Und es braucht die Bereitschaft und die Haltung von uns allen, dass es uns nicht egal ist, wenn Menschen nicht mithal-ten können. An Orten wie Betesda. Und auch bei uns. 
Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Wohnungslose, Geflüchte-te und Einsame.  Das Elend springt einem entgegen. Wer hier vorbeikommt, schaut lieber weg und geht schnell weiter. 
Fremdes Leid zu sehen, das wirft schnell einen Schatten auf das eigene Glück – denn es bedroht das eigene, selbstverständliche Wohl-Gefühl.
Jesus aber geht in dieses Haus der Unbarmherzigkeit. Bleibt stehen. Geht nicht vorbei. Sieht den Menschen an. „Willst du gesund werden?“  
Die Frage ist geradezu absurd. Ja, wer wollte denn nicht gesund werden?! Der Gelähmte aber sagt nicht: Ja, ich will. Er erzählt Jesus umständlich die Umstände. Die ganze Geschichte. Die, die keiner mehr hören will. Es ist sinnlos. Hier bewegt sich nichts.
Jesus hört zu. Bleibt aufgerichtet. Schenkt einen neuen Blick, sieht Himmel statt Erdenschwere. Anstatt in alten Geschichten und Mustern zu erstarren, bringt er Bewe-gung ins Spiel. 
„Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Jesus richtet auf. Schenkt Beziehung. Heilsein.
Und sogleich steht der Mann auf, nimmt sein Bett und geht. Ein Wunder. Und noch mehr als das: ein Auf-bruch ins Leben - der ausstrahlt bis heute. Denn:
Wir haben den Auftrag, Jesus darin nachzufolgen. Und an vielen Stellen gelingt das: Wenn wir nicht vorbeige-hen, sondern den Menschen ansehen. Im diakonischen Handeln, wenn wir uns Menschen zuwenden und fra-gen, was wir ihnen tun sollen. Wenn wir sie empowern. 
Wenn wir in den Kitas und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen daran mitwirken, junge Menschen zu bilden und stark zu machen, damit sie nicht blind popu-listischer Propaganda folgen und damit sie mit Rückgrat und mit Zuversicht durchs Leben gehen. 
Wenn wir als Seelsorgende im Alltag oder in der Not für andere da sind. Wenn wir segnen. Dann wirken wir daran mit, dass Menschen aufbrechen ins Leben. Und werden zu Heilsträgern. ---
Heilsein verbinden viele mit Gesundheit. „Hauptsache gesund!“ Das höre ich oft. Eltern sagen es bei der Taufe über das neugeborene Leben. Alte Menschen an ihrem Geburtstag. Politikerinnen im Wahlkampf. Arbeitgeber, die gesunde Leistungsträger brauchen.
„Hauptsache gesund“ – das klingt so vernünftig. Und Gesundheit ist ja auch wichtig – das wissen jene, die gegen eine Krankheit ankämpfen.
Und doch erlebe ich diesen Spruch als gnadenlos. Denn was ist mit denen, die eben nicht gesund sind? Was ist mit denen, die chronisch krank sind, die mit einer Be-einträchtigung leben, die im Leben zurückgeworfen wurden?
Ein Mensch, der an Krebs erkrankt war, sagte mir ein-mal: „Alle sagen immer ‚Hauptsache gesund‘. Und ich? Bin ich dann jetzt weniger wert, da ich krank bin?“
Hier in der Begegnung mit Jesus, geht es nicht um die Abwesenheit von Krankheit. Es geht um Heilsein. Und das ist mehr als Gesundsein. 
Heilsein heißt: angenommen sein. Aufgerichtet werden. Atem spüren. In Beziehung sein. Vertrauen ins Leben fassen. Auf Zukunft hoffen.
Solche heilen Momente habe ich in meinen Jahren hier in Burgdorf und im Kirchenkreis erlebt. Nicht immer groß und spektakulär. Oft leise, manchmal fast un-scheinbar – aber voller Kraft. Nur drei davon heute:
    Thorsten aus der Tageswohnung. In unregelmäßigen Abständen traf ich ihn. In der TaWo. Auf der Marktstraße. Manchmal auch in der Kirche. Am Rand. Als ich ihn bei einer Morgenandacht im Al-tarraum einmal fragte, ob er auch in den Kreis kommen wollte, winkte er ab. Reihe drei unter der Empore sei schon sehr weit vorne für ihn. 
Und dann leuchteten seine Augen, wenn er von der Osternacht erzählte: vom Licht, vom Gesang, von der singenden Gemeinschaft draußen auf dem Spittaplatz. In solchen Momenten schien er auf-recht, heil, würdevoll.
    Oder der Segen beim Kirchentag – ich erzählte neu-lich in der Kirchenkreissynode davon. Nun auch euch: Vom Kirchenkreis hatten wir einen Stand am Abend der Begegnung. Dabei: ein Segnungsort. Da war eine junge Frau mit einer Gruppe aus den Ro-tenburger Werken. Sie wurde von ihrer Betreuerin gefragt, ob sie sich auch segnen lassen wolle. Zö-gernd willigte sie ein. 
Ich legte ihr die Hände auf und sprach einen persön-lichen Segen. Zusehends entspannte sie sich. Und ein Strahlen ging über ihr Gesicht. Als ich den Se-gen mit einem „Friede sei mit dir“ beschloss, sagte sie strahlend: „Das war schön!“ und ging schnell weg. 
Ihre Begleitung stand noch bei mir und sagte: „Das war ein Wunder, das wir gerade erlebt haben. Sie hat eine Autismus-Spektrum-Störung und lässt sich eigentlich von niemandem berühren.“ Heilsein mit-ten im Trubel, mitten in der Stadt.
    Und auch im Zusammenwachsen von Kirchenge-meinden habe ich viele heile Momente gespürt. Et-wa beim Musical „Barfuß in die Zukunft“ im Lehr-ter Land über den heiligen Franziskus, geschrieben von Hanna Dallmeier und Thorsten Leißer.
Kinder und Erwachsene, Menschen aus allen Orts-teilen der Gesamtkirchengemeinde wirkten mit.  Und nachdem wir der Musik gelauscht hatten, hörte ich in der Bank hinter mir den Stolz der Menschen aus den verschiedenen Gemeinden: 
„Das ist unser Musical – von uns im Lehrter Land.“ Da spürte man: Wir sind gemeinsam Kirche. Heil-sein auch in Strukturen, die sich bewegen und ver-ändern. Wenn sie dann mit Leben gefüllt werden.
Das sind nicht alles große Wunder, aber heile Momente. 
Sie unterbrechen das immer Gleiche. Und bringen Hei-lung in unser brüchiges Leben. Wie in Betesda.
„Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund.“ Eine Wunder- und Hei-lungsgeschichte, und alles geschieht an einem Schabbat. 
An diesem siebten Tage soll der Mensch ruhen. Für uns Christen ist das der Sonntag. Dieser Tag unterbricht damit den Alltag, das Immer-Gleiche. Er kommt senk-recht von oben + in unsere Horizontale. Darauf liegt Segen!
Jesus heilt den Gelähmten am Schabbat. Und dann fol-gen theologische Diskussionen, ob das erlaubt sei. „Da sprachen die Juden zu dem, der geheilt worden war: Heute ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt, dein Bett zu tragen.“ 
Wenn Jesus am siebten Tag heilt, dann tut er das als frommer Jude. Der siebte Tag erinnert an die Schöp-fung und verheißt, dass das Leben in Gottes Reich wie-der so heil sein wird wie am Anfang.  
Der Schabbat ist um des Menschen willen geschaffen – darauf weist Jesus an anderer Stelle hin. Und nicht der Mensch um des Schabbats willen. 
Daran habe ich Menschen gerne erinnert, wenn ich den Eindruck hatte, dass für sie Regeln und Strukturen ein Gefängnis sind, das sie klein macht und klein hält.  
Ja, Regeln, Strukturen etc. sind wichtig, weil sie Halt geben – aber sie müssen dem Menschen und dem Zu-sammenleben von Menschen dienen – dann werden sie zu Freiheiten, innerhalb derer ein Mensch sich aufrich-ten kann.
Der siebte Tag. Senkrecht von oben in unseren horizon-talen Alltag unterbricht er die Zeit. Heilung für unsere Gesellschaft und für die Welt, die so unter Druck steht. Das Müssen ruht. Pause.  
Der siebte Tag schenkt mir Zeit für anderes als sonst. Der Sonntag unterbricht den Terminplan. Sonntag für Sonntag die freie Zeit nicht verzwecken, sondern entde-cken. Anders als sonst. 
Die einen schlafen sonntags aus, weil das sonst nie möglich ist. Andere brechen frühmorgens auf in die Natur, gehen schwimmen oder joggen.
Und einige gehen in die Kirche und spüren, wie sie aufgerichtet werden. Senkrecht nach oben, himmel-wärts. 
Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 
Der jahrelang nicht gegangen ist, dem mutet Jesus zu, zu gehen. Richtet ihn auf an dem Tag, der alles unter-bricht.
Jesus bringt den Gelähmten ins Leben und in die Ge-meinschaft zurück. „Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.“
Sogleich! Vorher war er fast vierzig Jahre gelähmt. Nach der damaligen Lebenserwartung ist sein Leben da eigentlich schon zu Ende.  Jesus interessiert sich also für den hoffnungslosesten Fall unter lauter hoffnungslo-sen Fällen. 
Jesus fragt nicht, ob es sich lohnt. Er wendet sich dem zu, der ihn jetzt in diesem Moment braucht. Er ver-schiebt es nicht auf später – er bringt hier und jetzt Gott ins Spiel. 
Himmel hier und jetzt – wenn wir so mit Menschen un-terwegs sind – segnend bei Popup-Trauungen, Tauffes-ten, auf Weihnachtsmärkten – dann lasst uns nicht fra-gen, ob sich das lohnt. Ob das nachhaltig ist für die Kirche.
Für den Menschen, der da gesegnet wird, der so ange-sehen wird, lohnt es sich. Er erlebt: der Himmel Gottes ist angebrochen, mitten im Leben. 
Der Gelähmte wird mitgerissen. Er kommt in Bewe-gung. Wird befreit aus erstarrten Mustern. 
Gottes Bewegung hin zu uns heilt. Wie bei Thorsten aus der Tageswohnung, wie bei der jungen Frau auf dem Kirchentag, wie bei den notwendigen Strukturverände-rungen. 
Auch bei unserem Einsatz für die Demokratie, als wir am 70. Geburtstag des Grundgesetzes auf dem Spitta-platz standen: „Burgdorf steht auf!“ 
Es war heilsam zu erleben, wie viele aufgestanden sind – sich nicht lähmen ließen von Populismus, Hass und Hetze. Sondern mutig, hoffnungsvoll, gemeinsam auf-standen. Für Demokratie und Menschenrechte. Für eine tolerante und offene Gesellschaft. Mit einem JA zur Würde ALLER Menschen.
Menschen sind in Bewegung gekommen. Ließen sich nicht lähmen. Da war Vertrauen auf Heilung.
Diese Erfahrung gilt weiter, für euch, für diesen Ort, für unsere Kirche, für unsere Gesellschaft:
Heilsein ist mehr als Gesundsein. Heilsein heißt: Gott ist bei uns – gerade in den Brüchen, in den Schwächen, in den langen lähmenden Zeiten.
Heilsein heißt: Aufstehen, auch wenn wir uns schwach fühlen. Uns bewegen lassen von Gottes Kraft.
Gemeinsam gehen. Heilsträger werden.
„Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ – sagt Jesus. Und so sogleich beginnt das Leben neu. ---
Fast zehn Jahre bin ich mit euch hier unterwegs gewe-sen. Wir haben miteinander diskutiert, gehofft, gelacht, gefeiert und auch getrauert. Ich danke euch von Herzen – für Vertrauen, für Nähe, für all die Wege, die wir geteilt haben.
Jetzt heißt es für mich: weitergehen. „Steh auf, nimm dein Bett und geh“ – dieses Wort nehme ich mit. 
Und ich lasse es auch euch da: Gott gibt euch Kraft, aufzustehen, auch wenn ihr müde seid. Er richtet euch auf und geht mit euch. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft sei mit euch allen. Amen.

Die Predigt als pdf-Datei herunterladen >

Im Kirchenkreis weht ein ganz besonderer Geist

Anlässlich Ihres Wechsels schrieb die Superintendentin an die Kirchengemeinden, Einrichtungen und Dienste im Kirchenkreis.

Zum Brief der Superintendentin
Landesbischof Ralf Meister. Foto: Heiko Preller

Einführung der neuen Regionalbischöfin durch Landesbischof Ralf Meister

Die bisherige Superintendentin des Kirchkreises Burgdorf, Sabine Preuschoff, beginnt am 1. November ihren Dienst als Regionalbischöfin. ...

In einem Gottesdienst am 1. Advent, 30. November um 15.00 Uhr in der Stader St. Wilhadi-Kirche führt Landesbischof Ralf Meister die neue Regionalbischöfin feierlich in ihr Amt ein.

Zum Bericht über den Dienstantritt im Sprengel Stade