Landwirtschaft in Ilten
(Kommentare: 9)
8. Dezember
Landwirtschaft in Ilten
Türchen Nummer acht entführte die weit über 100 Besucher unseres Lebendigen Adventskalenders in eine für viele exotisch gewordene Welt: In die der Landwirtschaft. Nachdem das Ehepaar Marianne und Hans-Heinrich Weber seine bereits munter plappernde und Punsch trinkende Gästeschar, die den weitläufigen Hof und Teile des alten Stalles bevölkerten, um sich geschart und um Ruhe gebeten hatte, wurden zuerst alle offiziell willkommen geheißen.
Und schon kam die Herausforderung des Abends, denn etliche waren sich sicher, dass es schwierig werden würde, einen aus so vielen Stimmen zusammengesetzten Spontan-Chor zum Klingen zu bringen. Ich gab den Anfangston – wie immer so tief wie möglich, damit auch die Männer ihre Stimmbänder ohne Probleme in adventliche Schwingungen versetzen können – und, was soll ich sagen… es war eine wahre Freude, was ich dann auf die Ohren bekam: Es erhob sich ein mächtiger Gesang, der fröhlich in die Dezembernacht schallte und der vom kalten Wind sicher bis in die hintersten Winkel unseres auf Schnee wartenden Dorfes getragen wurde. „Singet! Singt im Advent frohe Lieder!“ – auf Webers Hof wurde der Kanon wirklich meisterhaft intoniert.
„Meine Frau hat gesagt, dass ich lauter sprechen kann als sie, deshalb werde ich Euch jetzt was erzählen“, meinte nun Hans-Heinrich Weber, vielen Neu-Iltenern nur als „Der Kartoffel-Bauer“ bekannt, und wedelte mit einem stattlichen Bündel von Konzeptblättern durch die kalte Luft. Und so berichtete Weber von der ursprünglichen Hofstelle seiner Familie im alten Ortskern, davon, wie sein Urgroßvater schließlich 1892 hinter den Ortsrand aussiedelte, um mehr Platz zu bekommen und einen größeren Hof bauen zu können. Wir hörten von Flächentausch, von den Anfängen der Industrialisierung der Landwirtschaft (in Webers Fall einem alten Hanomag-Schlepper mit stattlichen 22 PS) und vom damaligen Therapiekonzept der Wahrendorff´schen Anstalten, Patienten als ungelernte Hilfskräfte in Familien wohnen zu lassen, damit sie dort arbeiten konnten und – eingebunden in das Leben und Beschäftigung ihrer jeweiligen Gastgeber – einen strukturierten und sinnvollen Alltag erfahren durften.
Wir erfuhren, wie im Jahre 1965 das letzte Pferd des Hofes weichen musste, da es Konkurrenz von 40 „Artgenossen“ erhalten hatte, die unter der robusten Motorhaube eines 40 PS starken Schleppers steckten. Über die erste Strohpresse, die heute noch als Oldtimer auf dem Weber´schen Hof steht, Maschinengemeinschaften mit anderen Landwirten, der Aufgabe der Milchviehhaltung bis hin zur problematischen Fruchtfolge von Zuckerrüben und Raps führte der Bauer mit der Freidenker-Frisur sein Publikum. Doch je mehr Hans-Heinrich Weber erzählte, umso weniger schaute er auf sein Konzept. Eher nebenher sortierte er seine Blätter um, man merkte, dass er rhetorisch in Wallung geriet. „Kartoffelanbau“, raunte ihm seine Frau Marianne zu! „Vielleicht geht es uns zu gut?“, polterte er stattdessen provokativ in die Menge. Und nun führte Weber aus, warum seiner Meinung nach hier in der Region nicht extensiv gewirtschaftet werden sollte. „Wir haben einen absoluten Gunststandort hier – gute Böden, genügend Niederschläge! Beste Voraussetzungen für gute Ernten mit intensiver Landwirtschaft!“, so der „Iltener Kartoffel-Bauer“. Als er nach einem Exkurs über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Dokumentationspflicht, die nicht nur von großen Betrieben, sondern auch von kleinen Familienunternehmen gefordert wird und für jeden Produzenten verbindlichen Fortbildungsveranstaltungen seine Brille abnahm, mit den Bügeln in Richtung Publikum stach und meinte „das wollte ich eigentlich nicht sagen, jetzt mache ich es aber trotzdem“, war klar, dass nun zum Ende hin noch eine geballte Ladung Ladwirts-Emotion von dem netten Herrn mit den freundlichen, blauen Augen abgefeuert werden würde.
„Ist Ilten mittlerweile ein Schläfer-Dorf geworden?“, fragte Hans-Heinrich Weber provokativ in die Menge. Manchmal dränge sich ihm der Verdacht auf, dass sich sein Heimatort von einem landwirtschaftlich geprägten Dorf zu einem Vorort von Hannover entwickelt habe. „Die Leute ziehen hierher, arbeiten in der Stadt und leben nur nach Feierabend und am Wochenende hier. Und dann wollen sie ihre Ruhe haben!“ Der Landwirt erzählte, wie sich Einwohner über den Lärm von Mähdreschern und anderen Maschinen beschwerten, über das Unverständnis der ehemaligen Städter dafür, weshalb in der Erntezeit oft die ganze Nacht gearbeitet werden müsste, statt um 18 Uhr die Zündschlüssel abzuziehen und den Betriebslärm einzustellen. Zustimmendes Gemurmel erhob sich unter den Zuhörern, von denen sich die meisten so weit mit dem ländlichen Leben auskennen, dass sie wissen, dass sich Landwirtschaft nicht auf beschauliches Kälbchen streicheln auf dem Urlaubsbauernhof beschränkt. „Auf dem Dorf wohnen heißt, Leben und Arbeiten im ländlichen Raum zu akzeptieren und zu tolerieren“, so Weber. „Es heißt auch, sich mit Hunden oder Kinderwagen an die Seite zu stellen, wenn ich auf dem Feld mit Schlepper und Anhänger komme und mich nicht komplett bis zum Stillstand auszubremsen. Ich wünsche mir manchmal schon ein bisschen mehr Rücksicht“, meint der Landwirt am Ende seiner sehr persönlichen Ansprache abschließend.
Mit viel Beifall endete der offizielle Teil von Türchen Nummer 8 und Hans-Heinrich Weber kann sich sicher sein, dass die Vielen, die zu ihm auf den Hof gekommen sind, allesamt nicht zu den „Iltener Schläfern“ gehören, denn diese wissen gar nicht, dass es unseren Lebendigen Adventskalender gibt. Bei Pellkartoffeln aus Webers Anbau, leckerem, selbstgemachten Quark von Marianne Weber und köstlichem, heißen Punsch löste sich die Zuhörerschaft in kleine Gruppen auf. Sicherlich wurde an Stehtischen, rund um Feuerkörbe oder im alten Stall noch von etlichen über das weiterdiskutiert, was Hans-Heinrich Weber gesagt hatte.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde Nicole Knälmann, die das Gewicht eines gefüllten Kartoffelnetzes als Einzige richtig geschätzt hatte, vom Ehepaar Weber zur Kartoffelkönigin des Abends erklärt und durfte die Erdäpfel auch gleich mit nach Hause nehmen. „Wer so viel Kartoffeln schält, wie ich“, meinte die Familienmutter lachend, „der kann eben auch gut schätzen“.
Ein herzliches Dankeschön der gesamten Familie Weber und ihren Helferinnen und Helfern für dieses liebevoll gestaltete und aufwändig vorbereitete Türchen. Und Hans-Heinrich, Du weißt: Paul und ich als ehemalige Städter stellen uns mit den Hunden immer brav an den Wegesrand, wenn Du angerollt kommst. Und hättest Du Deine Brille auf, würdest Du auch sehen, wie wir Dich anlächeln und Dir, so weit es die Leinen erlauben, zuwinken… ;-)
Heige Kienle
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Silvia Preim |
Liebe Marianne und Familie, bei euch war das Ambiente mit den Feuerkörben und Kerzen auf den Tischen etwas ganz besonders. Wie durften mit in die Familiengeschichte der Landwirtschaft eintauchen und erleben, wie sich die Landwirtschaft von Früher zu Heute verändert hat. Als Überraschung gab es für jeden Gast eine Kartoffel aus eigenem Erzeugnis mit leckerem selbstgemachten Quark. Zu trinken gab es selbstgemachten Punsch der den Abend abrundete. Vielen Dank für diesen herzlichen und schönen Abend
Kommentar von Silva |
Liebe Marianne, Lieber Hans-Heinrich,
das hört sich nach einem absolut gelungenen Türchen an! Ich bin fast ein bisschen aufgebracht geworden, während ich den Bericht gelesen habe, obwohl ich mit Landwirtschaft eigentlich gar nichts am Hut habe und momentan ja auch eine ganze Ecke entfernt von Ilten bin.
Also bravo Hans-Heinrich für die mitreißende Ansprache, die mich sogar in Foggia erreicht hat!
Und brava Mama für den fesselnden Text!
Kommentar von Birgit |
Liebe Webers, auch Euer Türchen hätte ich sehr gerne miterlebt! Gottseidank hat Heige den Abend bei Euch so erfrischend wiedergegeben, dass ich fast den Eindruck habe, ich wär doch da gewesen. Aber eben nur fast. Ich hoffe, Ihr öffnet irgendwann nochmal wieder Euer Hoftor :-)
Kommentar von Fllomena |
Ciao ihr lieben es war schön bei euch .danke für die bewirtung und Zeit LG Filo Klaus
Kommentar von Kicka |
Danke an Marianne und Hans-Heinrich, insbesondere höre ich gerne Geschichten aus unserem Heimatdorf von „Alteingesessenen“ , vielen Dank an euch beide. Leider habe ich beim Kartoffelquiz kläglich versagt, nächstes mal!
Kommentar von Regine Raddatz |
Ganz lieben Dank an Marianne und Hans Heinrich für das liebevoll gestaltete Türchen mit vielen Infos um den Hof und Ilten und nicht zu vergessen die leckeren Kartoffeln mit Quark sowie den leckeren Punsch. Es war wieder ein gelungener Abend.
Kommentar von Silke Heinen |
Schön war es wieder bei euch!
Vielen Dank für Speis und Trank!
Kommentar von Hannes Baake |
Liebe Familie Weber,
Vielen Dank für den schönen Abend und die Leckereien. Es hat sehr gut geschmeckt. Ich habe noch eine Menge über die Landwirtschaft in Ilten und Allgemein über Landwirtschaft erfahren.
Kommentar von Anke Tasche |
Vielen lieben Dank Marianne und Hans-Heinrich für das schöne, lebendige Adventstürchen heute. Habe bei schönem heißen Punsch und leckeren Kortoffeln mit Quark einiges über die Landwirtschaft dazugelernt. Schöne Idee!